Herausforderungen der Hausarztversorgung im OBK – Podiumsdiskussion mit Expertinnen und Experten

31. Mai 2025 | AG's, Gesundheit und Sport, Kreispolitik

Vor gut 60 interessierten Gästen diskutierte Moderator Dr. Sven Lichtmann, SPD-Landratskandidat für die Kommunalwahl, am Mittwochabend mit Expertinnen und Experten aus Praxis und Politik das überaus wichtige Thema der Hausarztversorgung in Oberberg. Für diese Diskussion holte die SPD Oberberg Hildegard Arntz (Hauptstelle der Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein – KVNO – in Düsseldorf, Teamleiterin im Bereich Sicherstellung und Strategie), Dr. Matthias Alex (Hausarzt in der Praxis Kotthausen), Sascha Klein (Geschäftsführer Klinikum Oberberg sowie der angeschlossenen Medizinischen Versorgungszentren), Dr. Benedikt Schulte-Körne vom Institut für Allgemeinmedizin an der Uni Köln sowie Thorsten Klute (Landtagsabgeordneter und gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion) ins Otto-Jeschkeit-Altenzentrum.

Attraktivität Landarzt
Im ersten Themenblock wurde die Attraktivität der Tätigkeit als Hausarzt und des Fachs Allgemeinmedizin an der Uni Köln diskutiert. Dr. Alex berichtete von der eigenen persönlichen Bindung zu Oberberg und empfahl, insbesondere um die Studenten aus der Region zu kämpfen und die persönlichere Versorgung hervorzuheben. Aus Sicht der Uni Köln wird das Fach Allgemeinmedizin beliebter, auch weil es an der Uni einen Modellstudiengang gibt, in dem die Studierenden während des gesamten Studiums Kontakt zur Tätigkeit als Hausarzt haben, so Dr. Schulte-Körne.

Unterversorgung droht – Kliniken am Limit
Sehr schnell wurde die Unterversorgung im Südkreis thematisiert. Im sogenannten Mittelbereich Waldbröl, zu dem auch Nümbrecht und Morsbach gerechnet werden, ist die Hausarztversorgung bei einer Quote von 74,8 %. Hildegard Arntz erläuterte die Fördermaßnahmen für den Bereich, wie z.B. Investitionskostenzuschüsse und Anschubfinanzierungen, die in der Summe bis zu 120.000 € betragen können. Wichtig sei der KVNO der Austausch mit den Kommunen, um gemeinsam Lösungen zu finden. Der Chef des Klinikums Oberberg, Sascha Klein, beschrieb die Auswirkungen des Hausarztmangels, der sich in den Notfallambulanzen zeigt: „In unseren
Notfallambulanzen haben wir in den letzten Jahren ein Plus an Patienten von
25%. Wir führen dies auf den Hausarztmangel in Oberberg zurück und können
den Mangel nicht auffangen.“

Was tun? Förderung, Kooperation und Entlastung
Der oberbergische Kreis hat mit Stipendien auf die Situation reagiert. So erhalten
Medizinstudierende u.a. nach dem Physikum ein monatliche Förderung von 600€ für acht Semester. Dr. Matthias Alex hält diese Förderung für richtig, es gebe aber solche Stipendien in anderen Kommunen schon seit einigen Jahren.

“Ein Wettbieten halte ich für den falschen Weg, durch attraktive Begleitangebot und
SPD-Kreisverband vernetzte Zusammenarbeit kann da Einiges kompensiert werden“, so Alex. Sven Lichtmann sieht ein Wettbieten aufgrund seiner Erfahrungen als Kommunalpolitiker auch kritisch, denn viele Kommunen können aufgrund der Haushaltssituation kein Förderung ausloben.

Hildegard Arntz hob entlastende Maßnahmen hervor, um zu einer Problemlösung zu gelangen – etwa eine stärkere Digitalisierung in der Praxisverwaltung, neue kooperative Versorgungsmodelle sowie das KV-Modellprojekt zur Delegation ärztlicher Aufgaben an Physician Assistants, das im Herbst diesen Jahres erste Ergebnisse bringt. Weiterhin riet Arntz den Kommunen, ihre Angebote deutlicher
herauszustellen und mit der KV eng zu kooperieren.

Kommunales MVZ als möglicher Lösungsansatz
Das Klinikum hat seit vielen Jahren Erfahrung mit medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und will nun in der gemeinsamen Gesellschaft mit dem oberbergischen Kreis ein hausärztliches MVZ in Waldbröl eröffnen:

„Wir planen den Start für den 1. Oktober 2025 in bestehenden Räumen am Kreiskrankenhaus Waldbröl und werden dort eine neue Arbeitsform in der Weiterbildung der Allgemeinmediziner anbieten – die Kombination der stationären und ambulanten Tätigkeit.“

Thorsten Klute lobte die Landarztquote, mit der Medizinstudierende ohne Numerus Clausus studieren können und sich nach dem Studium für 10 Jahre in unterversorgten Gebieten als Hausärztin bzw. Hausarzt niederlassen. Das Hausarztaktionsprogramm des Landes hält er auch für einen wichtigen Schritt, bedauert aber, dass in diesem Jahr keine Fördermittel zur Verfügung stehen. Aus seiner Sicht fehlt ein wichtiger Schritt: „Die Förderung von kommunalen MVZ muss vom Land gefördert werden, damit Kommunen das Risiko minimieren können. So gibt es bisher erst 9 kommunale MVZ in NRW.“

Forderungen an Politik und Institutionen
Zum Abschluss richteten die Diskutierenden klare Forderungen an die Landes- und Kommunalpolitik:

• Mehr Studienplätze in der Humanmedizin, insbesondere mit Fokus auf
Allgemeinmedizin

• Stärkere Förderung von Lehrarztpraxen und kommunalen
Versorgungszentren

• Ausbau digitaler und kooperativer Versorgungsformen sowie
Telemedizin zur Entlastung der Praxen

• Verbindlichere Umsetzung der Landarztquote mit aktiver
Kommunikation zu Fördermöglichkeiten

• Bessere Verzahnung von Hochschule, Kassenärztlicher Vereinigung und Kommunen, um jungen Ärztinnen und Ärzten attraktive Perspektiven vor Ort aufzuzeigen

„Andere Länder sind uns in der Struktur der Gesundheitsversorgung voraus – wir müssen den Mut haben, neue Wege zu gehen“, waren sich die Expertinnen und Experten einig.

Die SPD Oberberg setzt sich dafür ein, die hausärztliche Versorgung zukunftssicher zu machen, denn sie sei kein Aspekt der Infrastruktur sondern Daseinsvorsorge. Die Podiumsdiskussion war ein wichtiger Schritt, die vielfältigen Aspekte des Themas sichtbar zu machen – und den Dialog zwischen den relevanten Akteuren zu stärken.

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