Kreishaushalt 2019/20 – Zentrale Anforderungen werden nicht erfüllt

6. Dezember 2018 | Finanzen, Kreispolitik, Kreistagsfraktion

Rede von Ralf Wurth zum Doppelhaushalt des Oberbergischen Kreises 2019/20 (gehalten im Kreistag, am 06.12.2018 – Es gilt das gesprochene Wort).  

Sehr geehrter Herr Landrat, meine Damen und Herren,
jeder Etatentwurf muss sich daran messen, ob er Antworten auf die zentralen Her­ausforderungen liefert, die in der Gebietskörperschaft vorliegen, für den er erstellt wurde. Dies gilt selbstverständlich auch für den heute zu beratenden Entwurf des Kreishaushaltes für die Jahre 2019 und 2020. Und nach Auffassung von uns Sozialde­mokratinnen und Sozialdemokraten bedarf es aktuell guter Antworten vor allem in den folgenden Bereichen:

  1. Hilft der Etat bei der Modernisierung der Verwaltung?
  2. Werden – intern und für das Kreisgebiet – hinreichende Schritte bei der Digi­talisierung unternommen?
  3. Wird dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung getragen?
  4. Finden sich im Haushalt Gelder, um das Oberbergische kinder- und familien­freundlich zu gestalten?
  5. Leistet der Kreis seinen Beitrag bei der Bekämpfung des Klimawandels?
  6. Kann im Oberbergischen jede und jeder so mobil sein, wie sie bzw. er es möchte?

 

Modernisierung der Verwaltung

Meine Damen und Herren,
kritisch und mit großer Skepsis sehen wir die Pläne des Landrats, die Kreisverwaltung baulich zusammen zu fassen. Ich stelle fest, dass meine Fraktion vor der Schaffung neuer Büroflächen geklärt sehen möchte, ob und wie Flächenbedarfe vermindert werden können. Im Rahmen einer zunehmenden Digitalisierung von Verwaltungstä­tigkeiten und den daraus erwachsenen Chancen (Stichworte: „Home-Office“, also Ar­beiten am privaten Schreibtisch, sowie „Co-Working“, also bedarfsgerechte und fle­xible Nutzung von Bü­roarbeitsplätzen durch mehrere Personen) sollte alles vermie­den werden, was zu künftig leerstehenden Büros führt. Auch hier einge­spartes Geld kann anderweitig sinnvoller verwendet werden.

Die eben getroffene Aussage ist nicht neu, sondern zwei Jahre alt. Sie stammt aus meiner Rede zum Kreisetat 2017/18. Sie bleibt aber richtig.

Leider haben sich die Kreistagsmehrheit und die Grünen genau für diese Landrats­pläne entschieden und uns einen Verwaltungsneubau mit Kosten von bis zu 60 Mil­lionen Euro beschert. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehen darin keinen Schritt in Richtung moderne Kreisverwaltung. Wir sind für die Sanierung des vorhandenen Büroraums, halten aber grundsätzlich die vorhandenen modularen Raumstrukturen für besser geeignet, in Zukunft auf die in keiner Weise absehbaren Raumbedarfe zu reagieren.

Auch die Ausweitung der Dezernentenstellen lehnen wir ab. Vernünftig wären un­seres Erachtens flache Hierarchien in der Kreisverwaltung durch die Abschaffung ei­ner Verwaltungsebene. Die Zahl der Häuptlinge zu erhöhen, geht in die entgegen gesetzte Richtung.

 

Digitalisierungsstrategien

Sehr geehrter Herr Landrat,
schön finden wir es, dass in der Kreisverwaltung endlich personelle Verantwortlich­keiten für die internen Digitalisierungsstrategien geschaffen werden. Dies ist aber auch nötig, schaut man auf die zurückliegenden Pannen beim Straßenverkehrsamt. Wir werden ganz genau beobachten, ob hier allein neue Posten mit anglizistischen Amtsbezeichnungen entstehen oder folgend tatsächlich das digitale Dienstleistungs­angebot für die Bürgerinnen und Bürger verbessert wird. Denn gerade bei digitalisier­ten Prozessen gilt das „MüRe-MüRa“-Prinzip. Wer Müll in das System eingibt, be­kommt anschließend auch Müll als Ergebnis.

Meine Damen und Herren,
Mindestens genau so bedeutsam ist die Bereitstellung einer schnellen und guten di­gitalen Infrastruktur für Alle. Bei der Breitbandverkabelung ist im Oberbergischen weiterhin ein deutliches Verbesserungspotential gegeben. Und wir sollten aufpassen, dass der neue Mobilfunkstandard G5 im Kreis künftig flächendeckend zur Verfügung steht. Aussagen zum Beispiel von Bildungsministerin Karliczek, die diesen Anspruch relativiert, besorgen uns sehr – zumal sich diese Dame ja ansonsten sehr mit Aktivitä­ten zurückhält.

 

Sicherheit

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die vom Landrat initiierte Ordnungspartnerschaft zwischen dem Kreis und den kreis­angehörigen Städten und Gemeinden befürworten und unterstützen wir. Deshalb freut es uns besonders, dass jetzt auch die Heimatstadt des NRW-Justizministers der Ordnungspartnerschaft beigetreten ist. Durch die Bereitstellung von Kreismitteln sor­gen wir unter anderem für ein einheitliches Auftreten der örtlichen Ordnungsbehör­den und stärken so zumindest das subjektive Sicherheitsgefühl. Klar ist aber, dass im Zweifelsfall nur die Polizei akute Gefährdungslagen entschärfen kann. Doch die Hun­dertschaften an neuen Polizisten, die uns vor der Landtagswahl versprochen wurden, sind im Kreisgebiet noch nicht eingetroffen. Was die Zahl der neuen Dienststellen be­trifft, tröpfelt es allenfalls.

 

Kinder- und Familienfreundlichkeit

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Kreistag,
wir wollen ein kinder- und familienfreundliches Oberbergisches Land, aber bei den Tageseinrichtungen für Kinder haben wir noch kein flächendeckendes Angebot. Des­halb begrüßen wir ausdrücklich alle Maßnahmen, die zu mehr Kita-Plätzen führen. Für die Kreisverwaltung haben wir folgerichtig die Schaffung eines Betriebskindergar­tens beantragt – zumal dies zusätzlich die Attraktivität des Arbeitsplatzes Kreis stei­gert. Die Haltung der derzeitigen Kreistagsmehrheit zu unserem Antrag bedauern wir außerordentlich. Einen Betriebskindergarten erst im Kreishausneubau einzurichten, vertagt eine sinnvolle Lösung auf Jahre und schließt zunächst bewusst mehrere Jahr­gänge von der Kindergartenbetreuung in einem Betriebskindergarten aus.

Trotz zunehmender Lücken im Versorgungsnetz muss es Ziel der Kreispolitik bleiben, ein gesundes Leben im ländlichen Raum zu ermöglichen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten erheben den Anspruch, mit konkreten Vorschlägen, Anträgen und Anfragen vor Ort für eine bessere Gesundheitspolitik zu streiten.

Kaum bezahlbarer Wohnraum ist ein großes Hemmnis für eine erfolgreiche Familien­politik. Deshalb haben wir beantragt, die OAG auf Kreisebene mit der Koordinierung einer ergebnisorientierten Wohnungsbauförderung zu beauftragen. Wir freuen uns, dass wir uns in dieser Frage mit CDU und FDP auf eine einheitliche Linie haben eini­gen können.

 

Kampf dem Klimawandel

Ebenfalls sind wir erfreut, dass sich alle demokratischen Fraktionen im Kreisaus­schuss am 26.11.2018 auf eine gemeinsame Klimaschutzkonzeption haben einigen können. Der vom Menschen bewirkte Klimawandel muss rückgängig gemacht wer­den, sollen folgende Generationen auf der Erde leben können. Dabei gilt auch hier: Business is local.

 

Mobilität

Sehr geehrter Herr Landrat,
ein emotionales Thema im zurückliegenden Landtagswahlkampf waren die Staus auf den nordrhein-westfälischen Straßen. Und wenn es nach den damaligen Versprechen von CDU und FDP gehen würde, dürfte es Staus eigentlich heute nicht mehr geben. Nach meiner subjektiven Wahrnehmung stand ich zum Beispiel auf der A4 zuletzt al­lerdings häufiger in „zeitweiligen Verkehrsfluss-Entschleunigungen“.

Aus diesem Grund, aber auch um im Zuge des Klimaschutzes Schadstoff-Emissionen zu mindern, ist die Fortentwicklung des ÖPNV für das Oberbergische von zentraler Bedeutung. Darum kann man die Fortschreibung des Nahverkehrsplans nicht hoch genug würdigen. Jetzt gilt es, unter anderem die dort festgehaltenen Schnellbusse zügig auf die Straßen zu schicken. Eine besondere Bedeutung hat für uns die Linie Wipperfürth/Radevormwald – Wermelskirchen – Leverkusen. Hier können drei Gebietskörperschaften beweisen, wie man gut zusammenarbeitet.

Den Antrag von CDU und FDP, im Rahmen der Regionale 2025 Individualverkehr und ÖPNV besser zu vernetzen, unterstützen wir ausdrücklich. Wer das Umsteigen för­dern will, kann keine Busbahnhöfe ohne angegliederte Parkplätze wünschen.

Als das mobilitätspolitische Leuchtturmprojekt für die Regionale haben wir das Ein-Euro-pro-Tag-Aboticket vorgeschlagen. Im Rahmen dieses Pilotprojektes soll man für ein Jahr täglich im Regionale-Gebiet und – darüber hinaus – 75 Strecken-km lang den ÖPNV nutzen können. Vielerorts wird dieser Ansatz derzeit aufgegriffen, doch wenn es nach Meinung von CDU, Grünen und FDP im Kreisausschuss geht, soll die Idee in das „Sterbehaus“ VRS-Tarifreform überwiesen werden. Da, meine Damen und Herren aus dem Neu-Biedermeier-Lager – stockkonservativ, neoliberal und immer moralinsauer den Zeigefinger hebend –, waren Ihre Kolleginnen und Kollegen im benachbarten Rhein-Sieg-Kreis konsequenter. Dort haben sie gemeinsam einen analogen An­trag schlichtweg abgelehnt. 

 

Sehr geehrter Herr Landrat, meine Damen und Herren,
summiert man das bislang Gesagte, fallen die Antworten des Etatentwurfes auf die sechs skizzierten Herausforderungen allenfalls ambivalent aus. Zentrale Anforderun­gen, die wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten formuliert haben, wer­den nicht erfüllt. Des Weiteren rechnen wir damit, dass die derzeitige Kreistagsmehr­heit es auch diesmal ablehnt, alle Kreisausgaben in einem Arbeitskreis einer kriti­schen Würdigung zu unterziehen, wie wir es in unserem Haushaltseckpunkte-Antrag erneut fordern. Deshalb ist es folgerichtig, dass wir als SPD-Kreistagsfraktion heute den Haushaltsentwurf ablehnen.

Wir danken vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für ihre vorbe­reitenden Arbeiten zum Haushalt. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.                 

Ralf Wurth
Fraktionsvorsitzender

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