Erhebung von Elternbeiträgen für die Inanspruchnahme von Tageseinrichtungen für Kinder und Kindertagespflege

8. Dezember 2016 | Familie, Jugend & Soziales, Finanzen, Reden und Wortbeiträge

Wortbeitrag von Ralf Wurth zum Tagesordnungspunkt Nr. 7 der Kreistagssitzung am 8. Dezember 2016

Sehr geehrter Herr Landrat, 
meine Damen und Herren,

die SPD-Fraktion wird das Ansinnen, die Elternbeiträge in den Kindertagesstätten des Kreisjugendamtes zu erhöhen, ablehnen:

  1. stehen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dafür, dass Bildung und Erziehung als sozialstaatliche Leistung grundsätzlich beitrags- und gebührenfrei angeboten werden sollte – und der längere Weg zu diesem Ziel führt unseres Erachtens nicht über eine Beitragserhöhung.
  2. schadet es dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, falls künftig ein kleiner Teil der Kinder folgenden Weg vor sich hat: von der privaten Kinderbetreuung über Privatschulen zur privaten Universität. Wer eine solche Abkapselung ganzer Gesellschaftsschichten vom sozialen Miteinander verhindern möchte, darf die Kindertagesstätte für Gutverdienende nicht immer unattraktiver machen.
  3. halten wir erst recht gar nichts von automatisierten Beitragserhöhungen. So etwas ist nicht nur entgeltrechtlich problematisch. Vielmehr nimmt sich eine Volksvertretung so auch aus der eigenen Verantwortung. Wer so etwas tut, steht nicht öffentlich ein für das, was er will.

Meine Kolleginnen und Kollegen,
sehr aufschlussreich finde ich, wie die im Kreistag vertretenen Fraktionen mit der vorliegenden Beschlussvorlage umgehen. Als strategisches Ziel „10“ haben wir soeben beschlossen, dass wir das „Zusammenleben von Familien, Kindern, Jugendlichen und Senioren fördern und sozial gestalten“ wollen. Und im Ziel „6“ haben wir gemeinsam festgehalten, dass wir die „Bildungslandschaft (entlang der Bildungskette) weiterentwickeln“.

In diesem Sinne haben alle im Kreistag vertretenen Fraktionen am 11.12.2008 auf Antrag von CDU/FDP/FWO die überhöhten Elternbeiträge nach der KiBiz-Einführung um 15 bis 25 Prozent gesenkt, nachdem zuvor unser weitergehender Minderungsvorschlag keine Mehrheit gefunden hatte. Übrigens erfolgte dies damals, ohne dass
hierfür irgendwelche Refinanzierungsvorschläge unterbreitet wurden.

Damals gab es im Vorfeld massive Elternproteste. Heute stehen die Proteste zwar noch aus. Aber die Abkehr der Kreistagsmehrheit vom damaligen Beschluss zeigt allen Eltern, wie ehrlich die familienpolitischen Lippenbekenntnisse von CDU und FDP sind. Anscheinend gilt: Nur wenn diese beiden Parteien gesellschaftlichen Druck verspüren, handeln sie ansatzweise sozial.

Und was lernen wir über die Kreis-Grünen? Laut OVZ vom 21.11.2016 hat Herr Grafflage im Jugendhilfeausschuss uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gescholten: „Als es um die Rettung der von der Schließung bedrohten AWO-Kitas ging, sei jedem klargewesen, ‚dass wir an die Elternbeiträge ranmüssen‘“. Inhaltsgleich wurde uns diese Position der Grünen schon vor Publikation des OVZ-Artikels am Samstag davor in unserer Haushaltsklausur berichterstattet. Im Kreisausschuss am 24.11.2016 gab Herr Grafflage den Ausschussmitgliedern zur Kenntnis, dass die Grünen die Beitragserhöhung nur wegen der wieder eingeführten Geschwisterkomponente ablehnen werden. Der noch unsozialere Ursprungsvorschlag ohne Beitragsminderung für Geschwisterkinder wäre also von den Kreis-Grünen unterstützt worden.

Zu alldem kann ich nur feststellen:

  • Ein Junktim zwischen den Hilfen an AWO und DRK einerseits sowie möglichen Erhöhungen der Elternbeiträge andererseits haben wir immer abgelehnt. Die Ablehnung ist von uns auch deutlich ausgesprochen worden.
  • Eine Verknüpfung dieser beiden Gegenstände ist auch finanzpolitischer Unsinn. Die Erhöhung der Elternbeiträge ist auf Dauer angelegt. Die Zuschüsse an die beiden Sozialverbände sind – sofern sie überhaupt fließen – Einmalzahlungen. Wertmäßig entsprechen sie dann übrigens etwa den Ausgaben für die Sanierung von einem Kilometer Kreisstraße.
  • 2008 und 2009 gab es im Kreistag mehrfach gemeinsame Anträge von SPD, Grünen und UWG, in denen eine deutliche Verminderung der Elternbeiträge und eine umfassende Beitragsbefreiung für Geschwisterkinder gefordert wurden.

Herr Schäfer, Sie haben damals diese Anträge mit unterschrieben: Sorgen Sie jetzt für eine sozialpolitische Rückbesinnung ihrer Fraktion. Unterbinden Sie die neoliberalen Wallungen Ihrer Fraktionskollegen. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Gruppierung nicht zur FDP mit Fledermausschutzprogramm verkommt.

Meine Damen und Herren,
falls sie unseren Haushaltseckpunkten gleich zustimmen, ist die Entlastung für die oberbergischen Städte und Gemeinden höher als durch diese widersinnige Anhebung der Kita-Beiträge.

Sehr geehrter Herr Landrat,
wir beantragen bei diesem Tagesordnungspunkt namentliche Abstimmung über die Vorlage, damit wir unser „Nein“ zu diesem familienpolitischen Irrsinn deutlich dokumentieren können.

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